1930

und in den darauffolgenden Jahren geriet das Wirtschafts- und Geschäftsleben in Biel ins Stocken. Betriebsschliessungen, Arbeiterentlassungen, Arbeits- und Verdienstlosigkeit breiteten sich aus. Die Stadt steckte mitten in einer Wirtschaftskrise. Wie konnte man wohl die Geschäfte wieder ankurbeln? An Ideen fehlte es den initiativen Geschäftsleuten von damals nicht. Einer davon war Emil „Miggi“ Tièche, Besitzer einer Parfümerie an der Bahnhofstrasse. 1934 versuchte er, mit einer „Quinzaine commerciale“ den Verkauf in den Geschäften der Bahnhofstrasse und der Nidaugasse zu fördern. Dazu gehörten allerhand Unterhaltung und eine Tombola. Die „Quinzaine commerciale“ konnte sich indessen nicht durchsetzen.

Die erste Bieler Braderie

Im Herbst des folgenden Jahres fuhr Miggi Tièche mit zwei Freunden, Werbefachmann Carlo Schneeberger und Coiffeurmeister Max Oester, nach La Chaux-de-Fonds zum Fussballmeisterschaftsspiel La Chaux-de-Fonds – Biel. An jenem Sonntag führte la Chaux-de-Fonds eine Braderie durch, und unsere drei Bieler feierten dort den Fussballsieg ihrer Mannschaft. „Könnten wir nicht so etwas auch in Biel machen?“ fragten sie sich, nämlich mit einem Volksfest etwas gegen die gähnend leeren Geschäftsstrassen und gegen die Hoffnungslosigkeit unternehmen. Sie packten zu, gründeten ein Organisationskomitee; Miggi Tièche wurde Präsident und Carlo Schneeberger Kassier. Schon im folgenden Jahr, am 4./5. Juli 1936, fand die erste Bieler Braderie statt.

La première Braderie est morte, vive la deuxième

Sehen wir, wie die erste Braderie in der Presse kommentiert wurde. Unter dem Titel „Die erste Bieler Braderie – ein riesiger Erfolg“ und den Untertiteln „Biel lässt sich nicht unterkriegen“ – „ Der Kampf gegen die Krise aufgenommen“ stand folgendes: „Vor Wochen noch zaghaft vorbereitet, heute schon zum populärsten Bieler Ereignis geworden, das darf sich die Bieler Braderie zu Ehren anrechnen. Alles verbündete sich, um ihr die ersten Schritte eines Siegeslaufes zu erleichtern. Und so ist die Bieler Braderie ins Leben getreten mit lautem Trompetenklang – und wir glauben: Sie wird sich behaupten, auch wenn einmal nicht mehr von der Krise die Rede sein wird. Biel hat erneut bewiesen, welcher beflügelten Tatkraft es fähig ist; der Selbstbehauptungswille hat gestern einen eindrücklichen Sieg gefeiert über die kopfhängerische Spiessbürgerlichkeit! Und heute, da die erste Braderie verklungen, dürfen wir in Kopierung berühmter Beispiele erneut ausrufen: „La première Braderie est morte, vive la deuxième“. In der Tat aus den bescheidenen Anfängen wurde in kurzer Zeit ein Fest, das im Veranstaltungskalender der Stadt Biel nicht mehr wegzudenken ist und sich einen glänzenden Namen gemacht hat. Als allmählich die Werbung ins Seeland und Mittelland hinausgetragen und später auch der Jura miteinbezogen wurde, eröffneten sich neue Aspekte, die nicht nur für die Organisatoren der Braderie wichtig waren, sondern auch den Behörden die Bedeutung der Stadt Biel als wirtschaftliches Zentrum des Seelandes wie des südlichen Juras deutlich vor Augen führten.

Zweiter Weltkrieg

Nach der vierten Braderie 1939 kam die Zeit des zweiten Weltkrieges, während der Festbetrieb ruhte. 1947 war der Moment gekommen, den einst so erfolgreichen Anlass erneut ins Leben zu rufen. Zwar war die Ausgangslage für die Braderie nun ganz anders: Es ging nicht mehr darum in einer Krisenzeit den Verkauf in den Geschäften zu fördern, sondern in einer sich abzeichnenden Konjunkturperiode Zeit zu finden, ein Fest zu organisieren und zu feiern. Dass dies der Braderie unter diesen völlig veränderten Verhältnissen gelungen ist, beweist, dass sie einem Bedürfnis der Bevölkerung sowohl der Stadt Biel wie auch ihres Einzugsgebiets entspricht. Der Name Braderie wurde ergänzt mit Bieler Sommerfest, findet sie doch nun jedes Jahr in der schönsten Jahreszeit statt, wenn sich die Blumenpracht voll entfaltet, wenn der Sommer zu Land und zu Wasser seinen Höhepunkt erreicht.

Zur Tradition geworden

Vor über 80 Jahren in wirtschaftlich schwerer Zeit zum ersten Mal durchgeführt, ist die Bieler Braderie, unser fröhliches Sommerfest, längst zur Tradition geworden. Es ist eine Veranstaltung, die unsere ureigene Bielerart widerspiegelt, die durch unsere Zweisprachigkeit und durch das Zusammentreffen zweier Kulturen ihren eigenen Charakter hat und aus unserer Stadt nicht mehr wegzudenken ist.